Saufn unterm Hakenkreuz

Zwei Typen, ihr Fahrer und ein Auto. Im südlichsten aller Bundesländer suchen sie nach einem mittelalterlichen Phallussymbol mit behaktem Kreuz, werden von Englein beweint, von Fäusten liebkost und von Wirtinnen und ihren Bürgermeistern versetzt. Und am Schluss lösen sie die Frage, wie man mit 180 Sachen unbemerkt die Kurve kratzt.

Von Markus Schauta und Matthias Hütter

Freitag, 5. Oktober 2012

13:00 Uhr (MS)
In tödlicher Selbstüberschätzung griff sich Phaeton die Zügel des Sonnenwagens und bretterte damit über das Firmament. In der Nacht des 11. Oktober 2008 kam er von der Fahrbahn ab. Verkehrsschild, Vorgarten, Betonsockel. Phaeton überschlug sich, spuckte einen Schuh der Marke Ludwig Reiter und eine Brille von Donna Karan aus, und blieb zerfetzt auf der Straße liegen. Über Phaetons Himmelssturz war sein Geliebter untröstlich, schreibt Ovid. Auch Stefan Petzner weinte über den Abgang seines Lebensmenschen und für Kärnten fiel mit Haiders Tod die Sonne vom Himmel.
„Sonny Soul testen“, kritzle ich in den Notizblock. Als die Beifahrertür aufschwingt, klirrt eine leere Bierflasche auf den Parkplatz in der Jörg-Haider-Gedächtniskurve. Jörg Haider, der blunzenfett einen tödlichen Unfall baute. Der politische Bankräuber, der in Kärnten ein korruptes System aufzog, dessen bizarre Politfiguren heute noch an den Hebeln der Macht sitzen.
Plastikengel, Grabkerzen ohne Flamme, der Haider mit toten Augen auf Fotos hinter Glas. Am Christophorus-Bildstock ist ein Taferl angebracht. In kindlicher Handschrift steht da ein Gedicht geschrieben. „Die Seele ist ein weites Land“, lese ich, überfliege den Mittelteil, wo es um eine Marktfrau am Neuen Platz, Kraut und Würstl geht und breche bei „Landesvater mit feinstem Charakter“ ab – danke, das war’s! Ich werfe mich wieder auf den Beifahrersitz. Am Rande des Parkstreifens stehen Matthias und der Fahrer: Dr. Watson und Sherlock Holmes rekonstruieren den Unfallhergang. Als ich das Schild „Sigi’s Kneipe“ weiter vorne an der Straße entdecke, drücke ich die Hupe.

13:00 Uhr (MH)
„Mit dem Hirn gegen die Großen, mit dem Herz für die Kleinen…“ – „Auf Ewig in unseren Herzen – Danke!“ – „Jörg, du warst unser wertvollster Stern!“ – naja, wohl eher sternhagelvoll. Die Haider-Tangente. Eigentlich gar keine nennenswerte Kurve, nur ein hässliches Stück Bundesstraße. Komisch: Hunderte Grabeskerzen, keine einzige brennt. Nur das orange bemalte Haus hinter der stinkenden Thujenhecke flackert in der Mittagssonne. Und diese weißen Engelchen… Da, ein kleines Kärtchen beantwortet die brennendste aller Fragen: „Wie komme ich von hier aus zum Grab?“ – „Hey, da müssen wir hin!“ – „Klar!“, antwortet Markus nach gefühlten 20 Minuten. Er studiert gerade gedankenversunken eine der zahlreichen Inschriften an der Pestsäule. Abrupt dreht er sich weg und eilt zum Auto. Ist halt als Kärntner emotional involviert. „Wie schnell, glaubst du, ist der da rein in die Kurve?“, schreit der Fahrer vom anderen Ende der gut 15 Meter langen Haiderhaltestelle. „Puh! Mir kommt vor, ich hätt mal was von 180 km/h gelesen.“ – „Geht sicher schneller. Müsst man aber ausprobieren. Ich sag immer: Trau keinem außer der eigenen Erfahrung.“ – „Naja, dazu müsst man dann aber schon schaun, wie schnell man die Kurve besoffen abfahren kann. Alles andere wär ein glatter Selbstbetrug.“ – „Gute Idee. Wolltet ihr heute Abend nicht eh einen draufmachen?“ Ich schau in das erwartungsvolle Gesicht des Fahrers, dann in eines der fahlen Haiderantlitze auf einer überdimensionierten Kerze. Genug! Schnell ins Auto.

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Die ganze Story gibt’s im über.morgen-Magazin 1/2013 nachzulesen